Was die Zeitung im Internet alles sein könnte…
Was die Zeitung im Internet alles sein könnte…
Die Rolle der Print-Medien hat sich gewandelt: Zeitungen liefern nicht mehr Nachrichten, sondern bringen Hintergrundinformationen und erklären Zusammenhänge. Die schnellen News findet man im Web. Und doch steckt der Online-Journalismus noch in den Kinderschuhen.
Mittlerweile existiert praktisch keine Zeitung mehr, die nicht ihren eigenen Internet-Auftritt hätte. Inklusive digitalisierter Zeitungsausgabe und (kostenpflichtiger) Archivfunktion. Keine Frage, die Online-Zeitungen haben sich emanzipiert, führen meist eigene Online-Redaktionen. Die Aufgabe dieser Redaktionen ist es, den Nachrichten-hungrigen Konsumenten zwischen den einzelnen Print-Ausgaben bei Laune zu halten und ihn mit News-Kurzfutter quasi live zu versorgen. Allerdings bleiben dabei die eigentlichen Stärken des Mediums Internet, wie beispielsweise Interaktivität und Multimedialität, oftmals auf der Strecke.
Von Marie Jubin
Es geht nicht an, von Online-Journalismus zu sprechen und damit die digitalen «pdf»-Files einer Zeitungsausgabe zu meinen. Online-Journalismus ist weit mehr, das Internet kann weit mehr. Was sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, nämlich dass Zeitungen in ihren Online-Ausgaben so genannten «Mehrwert» bieten müssen, ist allerdings oftmals im Stadium von «wir hängen einen Link an die Meldung und schon sind wir vernetzt» stecken geblieben.
Online und Print
Was kann oder könnte Online-Journalismus leisten, was man mit Print nicht auch erreichen kann? Die Rolle der Printmedien hat sich durch das Internet und nicht zuletzt durch Radio und TV grundlegend verändert. Printmedien wurden von Neuigkeitsverkündern zur Orientierungshilfe. Zeitungen erklären Zusammenhänge und liefern Hintergründe. Das Geschäft der so genannten Breaking News ist definitiv nicht mehr ihres.
Es gibt auch wohl keinen einfacheren und vor allem auch freieren Vertriebskanal als das Internet. Sämtliche Regionalzeitungen verzeichnen heute auch Zugriffe von ausserhalb ihres eigentlichen Einzugsgebietes. Internet gelangt überallhin, und es ist kaum zu stoppen.
Interaktivität gibt Feedback
Weiter bietet das Internet die Möglichkeit der Interaktion. Also auf die Online-Zeitungen gemünzt: Noch nie war es so einfach, an Feedback zu kommen, die Leser einzubeziehen, mit ihnen zu diskutieren und zu debattieren oder die Leser beispielsweise über etwas abstimmen zu lassen. Dadurch eröffnen sich weitere Chancen. Zum Beispiel die Bildung so genannter Communities. Das Internet transportiert digitale Daten und kümmert sich wenig um deren Erscheinungsform. Egal ob Bilder, Texte, Töne oder ganze Filme, kein anderes Medium bietet diese Vielfalt. Für den Online-Journalismus sollte dieser Punkt als Vorteil und besonders als Möglichkeit der Entwicklung neuer journalistischer Formen verstanden werden. Weg von der linearen Erzählform hin zu Verlinkungen, die die Möglichkeit verschiedener Informationstiefen und auch die Wahl der Medien zulassen. Der User kann lesen, sich Bilder anschauen, sich mit Hilfe von Animationen informieren und natürlich auch seine Meinung in einem Forum kundtun.
Persönliche Informationen
Weiterhin bietet das Internet dem Journalisten sowie dem User die Möglichkeit, sich Informationen zu komponieren, nach ihnen zu suchen, sie zusammenzustellen und nicht zuletzt auch zu personalisieren. Kurz: Informationszusammenstellungen, wo der mündige User mit seiner neu erworbenen Medienkompetenz selbst entscheiden kann, ob er mehr Hintergrund- oder mehr Allgemeininformationen möchte. Dadurch verschwindet der Informationsvorsprung der traditionellen Medien, denn der User ist praktisch in der Lage, die Meldung zur selben Zeit im Internet nachzulesen, wie sie in den Zeitungsredaktionen über die virtuellen Ticker flimmert. Wer braucht dann am nächsten Tag nochmals dieselbe Meldung gedruckt in seiner Zeitung ohne Zusatzinformationen und mehr Hintergrundwissen, kurz ohne Recherche?
Synergien nutzen
Zeitungsredaktionen sind sehr resistent in Bezug auf Veränderungen, und das ist teils auch gut so. Nur im Fall des Internets und des wirtschaftlichen Überlebens der Print-Branche könnte dies mitunter auch fatale Folgen haben. Die grösste Herausforderung der Online-Zeitungen liegt darin, tragbare und letztlich auch rentable Geschäftsmodelle zu entwickeln und dabei auch die spezifischen Vorteile des Mediums Internet zu erkennen und auch zu nutzen. Fakt ist, dass die besten Resultate voraussichtlich durch Vernetzung und Nutzung von Synergien der beiden Medien Print und Internet zustande kommen werden.
Und nicht zuletzt gilt das, was Journalist und Blogger Dan Gillmor anlässlich der NetMedia 2003 gesagt hat: «In the past, journalism has been a lecture. Now it's become a conversation or seminar. And a journalist's guiding principle must be that, ‹my readers know more than I do›. This is not a threat, but an opportunity.» (In der Vergangenheit war Journalismus eine Lektüre. Nun entwickelt sich der Journalismus immer mehr zum Dialog oder auch zu einer Art Seminar. Leitlinien der heutigen Journalistinnen und Journalisten sollten vielmehr lauten: «Meine Leser wissen mehr als ich.» Dies soll nicht als Bedrohung empfunden werden, im Gegenteil, daraus ergeben sich Chancen.)
© 2003 National Zeitung und Basler Nachrichten AG - Erschienen am 23.09.2003
Die Rolle der Print-Medien hat sich gewandelt: Zeitungen liefern nicht mehr Nachrichten, sondern bringen Hintergrundinformationen und erklären Zusammenhänge. Die schnellen News findet man im Web. Und doch steckt der Online-Journalismus noch in den Kinderschuhen.
Mittlerweile existiert praktisch keine Zeitung mehr, die nicht ihren eigenen Internet-Auftritt hätte. Inklusive digitalisierter Zeitungsausgabe und (kostenpflichtiger) Archivfunktion. Keine Frage, die Online-Zeitungen haben sich emanzipiert, führen meist eigene Online-Redaktionen. Die Aufgabe dieser Redaktionen ist es, den Nachrichten-hungrigen Konsumenten zwischen den einzelnen Print-Ausgaben bei Laune zu halten und ihn mit News-Kurzfutter quasi live zu versorgen. Allerdings bleiben dabei die eigentlichen Stärken des Mediums Internet, wie beispielsweise Interaktivität und Multimedialität, oftmals auf der Strecke.
Von Marie Jubin
Es geht nicht an, von Online-Journalismus zu sprechen und damit die digitalen «pdf»-Files einer Zeitungsausgabe zu meinen. Online-Journalismus ist weit mehr, das Internet kann weit mehr. Was sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, nämlich dass Zeitungen in ihren Online-Ausgaben so genannten «Mehrwert» bieten müssen, ist allerdings oftmals im Stadium von «wir hängen einen Link an die Meldung und schon sind wir vernetzt» stecken geblieben.
Online und Print
Was kann oder könnte Online-Journalismus leisten, was man mit Print nicht auch erreichen kann? Die Rolle der Printmedien hat sich durch das Internet und nicht zuletzt durch Radio und TV grundlegend verändert. Printmedien wurden von Neuigkeitsverkündern zur Orientierungshilfe. Zeitungen erklären Zusammenhänge und liefern Hintergründe. Das Geschäft der so genannten Breaking News ist definitiv nicht mehr ihres.
Es gibt auch wohl keinen einfacheren und vor allem auch freieren Vertriebskanal als das Internet. Sämtliche Regionalzeitungen verzeichnen heute auch Zugriffe von ausserhalb ihres eigentlichen Einzugsgebietes. Internet gelangt überallhin, und es ist kaum zu stoppen.
Interaktivität gibt Feedback
Weiter bietet das Internet die Möglichkeit der Interaktion. Also auf die Online-Zeitungen gemünzt: Noch nie war es so einfach, an Feedback zu kommen, die Leser einzubeziehen, mit ihnen zu diskutieren und zu debattieren oder die Leser beispielsweise über etwas abstimmen zu lassen. Dadurch eröffnen sich weitere Chancen. Zum Beispiel die Bildung so genannter Communities. Das Internet transportiert digitale Daten und kümmert sich wenig um deren Erscheinungsform. Egal ob Bilder, Texte, Töne oder ganze Filme, kein anderes Medium bietet diese Vielfalt. Für den Online-Journalismus sollte dieser Punkt als Vorteil und besonders als Möglichkeit der Entwicklung neuer journalistischer Formen verstanden werden. Weg von der linearen Erzählform hin zu Verlinkungen, die die Möglichkeit verschiedener Informationstiefen und auch die Wahl der Medien zulassen. Der User kann lesen, sich Bilder anschauen, sich mit Hilfe von Animationen informieren und natürlich auch seine Meinung in einem Forum kundtun.
Persönliche Informationen
Weiterhin bietet das Internet dem Journalisten sowie dem User die Möglichkeit, sich Informationen zu komponieren, nach ihnen zu suchen, sie zusammenzustellen und nicht zuletzt auch zu personalisieren. Kurz: Informationszusammenstellungen, wo der mündige User mit seiner neu erworbenen Medienkompetenz selbst entscheiden kann, ob er mehr Hintergrund- oder mehr Allgemeininformationen möchte. Dadurch verschwindet der Informationsvorsprung der traditionellen Medien, denn der User ist praktisch in der Lage, die Meldung zur selben Zeit im Internet nachzulesen, wie sie in den Zeitungsredaktionen über die virtuellen Ticker flimmert. Wer braucht dann am nächsten Tag nochmals dieselbe Meldung gedruckt in seiner Zeitung ohne Zusatzinformationen und mehr Hintergrundwissen, kurz ohne Recherche?
Synergien nutzen
Zeitungsredaktionen sind sehr resistent in Bezug auf Veränderungen, und das ist teils auch gut so. Nur im Fall des Internets und des wirtschaftlichen Überlebens der Print-Branche könnte dies mitunter auch fatale Folgen haben. Die grösste Herausforderung der Online-Zeitungen liegt darin, tragbare und letztlich auch rentable Geschäftsmodelle zu entwickeln und dabei auch die spezifischen Vorteile des Mediums Internet zu erkennen und auch zu nutzen. Fakt ist, dass die besten Resultate voraussichtlich durch Vernetzung und Nutzung von Synergien der beiden Medien Print und Internet zustande kommen werden.
Und nicht zuletzt gilt das, was Journalist und Blogger Dan Gillmor anlässlich der NetMedia 2003 gesagt hat: «In the past, journalism has been a lecture. Now it's become a conversation or seminar. And a journalist's guiding principle must be that, ‹my readers know more than I do›. This is not a threat, but an opportunity.» (In der Vergangenheit war Journalismus eine Lektüre. Nun entwickelt sich der Journalismus immer mehr zum Dialog oder auch zu einer Art Seminar. Leitlinien der heutigen Journalistinnen und Journalisten sollten vielmehr lauten: «Meine Leser wissen mehr als ich.» Dies soll nicht als Bedrohung empfunden werden, im Gegenteil, daraus ergeben sich Chancen.)
© 2003 National Zeitung und Basler Nachrichten AG - Erschienen am 23.09.2003
Cyberwriter - 10. Okt, 02:16 - Presse
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
ferromonte - 10. Okt, 11:52
wenn auch nicht
neu, so doch eine nette summary des themas!
man bekommt sehnsucht nach einer neuen online-zeitung, die aus einer internationalen (oder wenigstens inter-europäischen) redaktion besteht, deren mitglieder zuhause in den verschiedenen ländern/städten sitzen und ihre beiträge online stellen. nach der redaktionssitzung natürlich. :-)
immerhin stellt das weblog einen epochalen schritt in eine neue richtung des journalismus dar. wer hätte davon vor 10 jahren geträumt? das sind eindeutig konzepte, die in die zukunft weisen, wenn auch in eine fragwürdige zukunft des fortschrittes, von dem wir immer noch nicht wissen ob er nicht ein rückschritt oder die falsche abzweigung in eine sackgasse war ..
man bekommt sehnsucht nach einer neuen online-zeitung, die aus einer internationalen (oder wenigstens inter-europäischen) redaktion besteht, deren mitglieder zuhause in den verschiedenen ländern/städten sitzen und ihre beiträge online stellen. nach der redaktionssitzung natürlich. :-)
immerhin stellt das weblog einen epochalen schritt in eine neue richtung des journalismus dar. wer hätte davon vor 10 jahren geträumt? das sind eindeutig konzepte, die in die zukunft weisen, wenn auch in eine fragwürdige zukunft des fortschrittes, von dem wir immer noch nicht wissen ob er nicht ein rückschritt oder die falsche abzweigung in eine sackgasse war ..
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