«Usability» im Web: Jeder bekommt die User, die er verdient
Userinnen und User haben auf verschiedenen Ebenen Mühe mit dem Internet-Umgang. Da es bisher, wie für Schreiben, Rechnen und Lesen, keine Internet-Ausbildung gibt, liegt der Auftrag, dem User eine Webseite zu erklären, bei deren Betreiber. Denn die hervorragende «Usability» einer Web-Seite entscheidet massgeblich über Erfolg oder Misserfolg.
Grundsätzlich sollte der Einbezug von Usern und damit Usability-Methoden im Internet auf der Hand liegen. Kein neues Katzenfutter würde lanciert, ohne seinen Geschmack vorab bei Katzen zu testen und die Verpackung auf die Werbewirksamkeit bei Katzenhaltern zu untersuchen. Hier werden zu Recht grosse Summen in die Marktforschung gesteckt. Dagegen interessieren sich bisher die wenigsten Betreiber von Websites dafür, was der User mag, was er kann und, vor allem, was er versteht.
Der Bildschirm ist die einzige Schnittstelle, über die der Web-Anbieter Kontakt zum Kunden hat; der Bildschirm ist nicht nur sein Schaufenster, sondern auch sein Verkaufsraum. Und kein Ladenbesitzer würde auf die Idee kommen, sein reales Schaufenster und seinen realen Verkaufsraum so zu vernachlässigen und so wenig benutzerfreundlich zu gestalten, wie das Webangebote mit ihren Besuchern machen.
«Die User haben auf verschiedenen Ebenen Mühe mit dem Internet-Umgang. Informationssuche, Transaktionen, aber auch das Verständnis einzelner Prozesse bereiten ihnen Schwierigkeiten», erklärt Jacqueline Badran, Gründungsmitglied und COO der Zeix AG. Immer wieder werde suggeriert, dass man das Internet nicht verstehen muss, um damit umgehen zu können. Aussagen wie «Es ist doch alles selbsterklärend im Netz» oder Analogien wie «Man muss auch nicht wissen, wie ein Auto funktioniert, um Auto fahren zu können» stimmen jedoch nicht. In der Phase, in der wir uns heute befinden, ist das beim Internet definitiv nicht so. E-Commerce-Websites sind interaktive, oft personalisierbare, komplexe Gebilde. Natürlich muss man nicht programmieren können, um surfen zu können. Aber um Webangebote optimal zu nutzen, sollten die User in den Grundzügen verstehen, wie diese funktionieren. Da es keine Internet-Grundausbildung gibt, wie es eine für Lesen und Schreiben gibt, liegt der Auftrag, dem User eine Website zu erklären, bei ihrem Betreiber.
Aus Technik geboren
E-Commerce entstand als Nebenprodukt, nachdem die technische Infrastruktur gebaut war, von der man nie geplant hatte, dass sie sich an die breite Masse richtet. Als Folge davon war und ist vieles sehr «Technologie-getrieben». Das Internet wurde gepusht, man stellte Angebote aufs Web und verkündete: «Hallo Leute, jetzt gibts das Internet, kommt alle und macht mit!» Und siehe da, es kamen zwar viele, aber es machten nur wenige wirklich mit, sprich: nutzen E-Commerce-Angebote so, wie die Optimisten es prophezeit hatten. Doch die Euphorie seitens der Anbieter war nicht zu stoppen, die Meinung war, dass man nur genug Werbung machen müsse. Das Resultat waren Dutzende von neuen Business-Modellen und kostspieligen Anzeigekampagnen. Eines der prominentesten Beispiele war die AOL-Kampagne mit Boris Becker: «Bin ich da schon drin oder was?» Doch die Masse der Leute wusste gar nicht: Wo drin? Was kann ich denn dort machen? Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, und erst langsam geht die Werbung dazu über, den Usern nicht nur Markennamen entgegenzuschleudern, sondern ihnen den Nutzen ihrer Angebote zu erklären.
Zeix führte kürzlich für einen Kunden eine Umfrage zum Thema ADSL durch. ADSL ist schneller Internetzugang via Telefonleitung, doch die Befragten - durchgängig unter 40 Jahre alt - hatten ganz andere Erklärungen: Die Antworten reichten von «ADSL ist ein Kosmetikbestandteil» über «ADSL ist eine Versicherung» bis zu «ADSL ist eine neue Technologie, um Fotos aufs Handy herunterzuladen». Es zeigt sich: Wer heute ein neues, technologiezentriertes Produkt bei der breiten Masse der Bevölkerung vermarkten will, muss erst einmal das Produkt und seinen konkreten Nutzen erklären. Sonst erreicht man nur die eher kleine Gruppe der technisch versierten Leute, und die amortisieren keine millionenschwere Kampagne.
Man muss den Menschen aktiv zeigen, wie sie viele Prozesse heute nicht mehr per Brief, Telefon oder Fax abwickeln müssen, sondern komfortabler, schneller oder kostengünstiger per Internet. Dieser Kulturwandel muss von den Anbietern begleitet werden. «Beim erfolgreichsten Internet-Anbieter weltweit, dem Auktionshaus eBay, gibt es eine Abteilung ?User Education?. Das ist der Ansatz», so Badran. «Userinnen und User brauchen Erklärungen, mit denen sie sich mentale Modelle aufbauen können, wie Dinge im Internet funktionieren. Nur so können sie einen wirklichen Nutzen aus dem Einsatz des Webs ziehen.» Und weil niemand die User fragt oder das mit falschen Methoden wie mit Online-Umfragen geschieht, investieren Betreiber in die falschen Funktionen.
«Trust» - Vertrauen aufbauen
amazon.com beweist, dass man als New-Economy-Unternehmen erfolgreich sein kann - zumindest was die Absatzzahlen angeht. Allerdings hat das auch etwas mit der Gattung der verkauften Produkte und mit der hervorragenden Usability der Webseiten, die konstant weiterentwickelt wird, zu tun. Warum wird ein physischer Laden immer noch mehr akzeptiert als die Möglichkeit, zu einer beliebigen Uhrzeit bequem von zu Hause aus ein Ticket zu bestellen? Viele Leute verstehen nicht, was nach ihrem Klick auf den «Bestellen»-Button im Hintergrund passiert. Dieser Prozess unterscheidet sich massgeblich zum Beispiel vom Lichtschalter, dessen Funktionsweise man vielleicht auch nicht ganz versteht, aber dessen Wirkung man deutlich sehen kann. Userinnen und User sollten eine ungefähre Vorstellung haben, was bei solchen Prozessen passiert, und dazu müssen die Websites es mit einfachen Worten sagen: «Danke, wir haben Ihre Bestellung an unser Versandzentrum übermittelt, Sie sollten die Lieferung in drei Tagen per Post erhalten.»
Wegen dieser latenten Verunsicherung des Users durch die Technologie wirken Anbieter aus der «Old Economy» oft vertrauenswürdiger. «Trust» ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Internet-Nutzung, und wieder kommt die Usability ins Spiel. Wer beim Suchen auf einer Webseite schon gute Treffer erhält, die nötigen Detail-Informationen über das Produkt übersichtlich angezeigt bekommt und einfach zum «Ausgang» des Shops findet, der bekommt das angenehme Gefühl, nun werde wohl auch beim Kaufakt und beim Versand nichts mehr schief gehen. Ein Vertrauen gegenüber der Online-Marke wird also sehr begünstigt durch Usability des Angebotes. Im Web wird öfter substituiert als im wirklichen Leben. Wer sich über den Verkäufer in seinem Quartierladen geärgert hat, wird häufig wegen des geografischen Vorteils trotzdem weiterhin in diesem Laden einkaufen. Wer dagegen im Web unzufrieden ist oder das Gesuchte nicht findet, kann sofort eine andere Seite ansurfen, da die «Lage» keine Rolle spielt.
Mit den Usern arbeiten
Diese Tatsachen machen es umso unverständlicher, dass die Web-Anbieter so wenig mit ihren Usern arbeiten, sie beobachten und sie nach ihren Bedürfnissen und Verhalten fragen. Stattdessen streiten sich Marketing-Leute, Web-Designer und die Programmierer darum, was der User versteht, was er tut, was er kann und was er will - anstatt in Usability-Tests Antworten zu finden. Das kann sie nicht weiterbringen, im Gegenteil: Es entsteht eine «Expertokratie», die den User garantiert im Regen stehen lässt.
Copyright 2002 - JuM- Basler Zeitung
Grundsätzlich sollte der Einbezug von Usern und damit Usability-Methoden im Internet auf der Hand liegen. Kein neues Katzenfutter würde lanciert, ohne seinen Geschmack vorab bei Katzen zu testen und die Verpackung auf die Werbewirksamkeit bei Katzenhaltern zu untersuchen. Hier werden zu Recht grosse Summen in die Marktforschung gesteckt. Dagegen interessieren sich bisher die wenigsten Betreiber von Websites dafür, was der User mag, was er kann und, vor allem, was er versteht.
Der Bildschirm ist die einzige Schnittstelle, über die der Web-Anbieter Kontakt zum Kunden hat; der Bildschirm ist nicht nur sein Schaufenster, sondern auch sein Verkaufsraum. Und kein Ladenbesitzer würde auf die Idee kommen, sein reales Schaufenster und seinen realen Verkaufsraum so zu vernachlässigen und so wenig benutzerfreundlich zu gestalten, wie das Webangebote mit ihren Besuchern machen.
«Die User haben auf verschiedenen Ebenen Mühe mit dem Internet-Umgang. Informationssuche, Transaktionen, aber auch das Verständnis einzelner Prozesse bereiten ihnen Schwierigkeiten», erklärt Jacqueline Badran, Gründungsmitglied und COO der Zeix AG. Immer wieder werde suggeriert, dass man das Internet nicht verstehen muss, um damit umgehen zu können. Aussagen wie «Es ist doch alles selbsterklärend im Netz» oder Analogien wie «Man muss auch nicht wissen, wie ein Auto funktioniert, um Auto fahren zu können» stimmen jedoch nicht. In der Phase, in der wir uns heute befinden, ist das beim Internet definitiv nicht so. E-Commerce-Websites sind interaktive, oft personalisierbare, komplexe Gebilde. Natürlich muss man nicht programmieren können, um surfen zu können. Aber um Webangebote optimal zu nutzen, sollten die User in den Grundzügen verstehen, wie diese funktionieren. Da es keine Internet-Grundausbildung gibt, wie es eine für Lesen und Schreiben gibt, liegt der Auftrag, dem User eine Website zu erklären, bei ihrem Betreiber.
Aus Technik geboren
E-Commerce entstand als Nebenprodukt, nachdem die technische Infrastruktur gebaut war, von der man nie geplant hatte, dass sie sich an die breite Masse richtet. Als Folge davon war und ist vieles sehr «Technologie-getrieben». Das Internet wurde gepusht, man stellte Angebote aufs Web und verkündete: «Hallo Leute, jetzt gibts das Internet, kommt alle und macht mit!» Und siehe da, es kamen zwar viele, aber es machten nur wenige wirklich mit, sprich: nutzen E-Commerce-Angebote so, wie die Optimisten es prophezeit hatten. Doch die Euphorie seitens der Anbieter war nicht zu stoppen, die Meinung war, dass man nur genug Werbung machen müsse. Das Resultat waren Dutzende von neuen Business-Modellen und kostspieligen Anzeigekampagnen. Eines der prominentesten Beispiele war die AOL-Kampagne mit Boris Becker: «Bin ich da schon drin oder was?» Doch die Masse der Leute wusste gar nicht: Wo drin? Was kann ich denn dort machen? Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, und erst langsam geht die Werbung dazu über, den Usern nicht nur Markennamen entgegenzuschleudern, sondern ihnen den Nutzen ihrer Angebote zu erklären.
Zeix führte kürzlich für einen Kunden eine Umfrage zum Thema ADSL durch. ADSL ist schneller Internetzugang via Telefonleitung, doch die Befragten - durchgängig unter 40 Jahre alt - hatten ganz andere Erklärungen: Die Antworten reichten von «ADSL ist ein Kosmetikbestandteil» über «ADSL ist eine Versicherung» bis zu «ADSL ist eine neue Technologie, um Fotos aufs Handy herunterzuladen». Es zeigt sich: Wer heute ein neues, technologiezentriertes Produkt bei der breiten Masse der Bevölkerung vermarkten will, muss erst einmal das Produkt und seinen konkreten Nutzen erklären. Sonst erreicht man nur die eher kleine Gruppe der technisch versierten Leute, und die amortisieren keine millionenschwere Kampagne.
Man muss den Menschen aktiv zeigen, wie sie viele Prozesse heute nicht mehr per Brief, Telefon oder Fax abwickeln müssen, sondern komfortabler, schneller oder kostengünstiger per Internet. Dieser Kulturwandel muss von den Anbietern begleitet werden. «Beim erfolgreichsten Internet-Anbieter weltweit, dem Auktionshaus eBay, gibt es eine Abteilung ?User Education?. Das ist der Ansatz», so Badran. «Userinnen und User brauchen Erklärungen, mit denen sie sich mentale Modelle aufbauen können, wie Dinge im Internet funktionieren. Nur so können sie einen wirklichen Nutzen aus dem Einsatz des Webs ziehen.» Und weil niemand die User fragt oder das mit falschen Methoden wie mit Online-Umfragen geschieht, investieren Betreiber in die falschen Funktionen.
«Trust» - Vertrauen aufbauen
amazon.com beweist, dass man als New-Economy-Unternehmen erfolgreich sein kann - zumindest was die Absatzzahlen angeht. Allerdings hat das auch etwas mit der Gattung der verkauften Produkte und mit der hervorragenden Usability der Webseiten, die konstant weiterentwickelt wird, zu tun. Warum wird ein physischer Laden immer noch mehr akzeptiert als die Möglichkeit, zu einer beliebigen Uhrzeit bequem von zu Hause aus ein Ticket zu bestellen? Viele Leute verstehen nicht, was nach ihrem Klick auf den «Bestellen»-Button im Hintergrund passiert. Dieser Prozess unterscheidet sich massgeblich zum Beispiel vom Lichtschalter, dessen Funktionsweise man vielleicht auch nicht ganz versteht, aber dessen Wirkung man deutlich sehen kann. Userinnen und User sollten eine ungefähre Vorstellung haben, was bei solchen Prozessen passiert, und dazu müssen die Websites es mit einfachen Worten sagen: «Danke, wir haben Ihre Bestellung an unser Versandzentrum übermittelt, Sie sollten die Lieferung in drei Tagen per Post erhalten.»
Wegen dieser latenten Verunsicherung des Users durch die Technologie wirken Anbieter aus der «Old Economy» oft vertrauenswürdiger. «Trust» ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Internet-Nutzung, und wieder kommt die Usability ins Spiel. Wer beim Suchen auf einer Webseite schon gute Treffer erhält, die nötigen Detail-Informationen über das Produkt übersichtlich angezeigt bekommt und einfach zum «Ausgang» des Shops findet, der bekommt das angenehme Gefühl, nun werde wohl auch beim Kaufakt und beim Versand nichts mehr schief gehen. Ein Vertrauen gegenüber der Online-Marke wird also sehr begünstigt durch Usability des Angebotes. Im Web wird öfter substituiert als im wirklichen Leben. Wer sich über den Verkäufer in seinem Quartierladen geärgert hat, wird häufig wegen des geografischen Vorteils trotzdem weiterhin in diesem Laden einkaufen. Wer dagegen im Web unzufrieden ist oder das Gesuchte nicht findet, kann sofort eine andere Seite ansurfen, da die «Lage» keine Rolle spielt.
Mit den Usern arbeiten
Diese Tatsachen machen es umso unverständlicher, dass die Web-Anbieter so wenig mit ihren Usern arbeiten, sie beobachten und sie nach ihren Bedürfnissen und Verhalten fragen. Stattdessen streiten sich Marketing-Leute, Web-Designer und die Programmierer darum, was der User versteht, was er tut, was er kann und was er will - anstatt in Usability-Tests Antworten zu finden. Das kann sie nicht weiterbringen, im Gegenteil: Es entsteht eine «Expertokratie», die den User garantiert im Regen stehen lässt.
Copyright 2002 - JuM- Basler Zeitung
Cyberwriter - 7. Feb, 17:56 - Presse
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