Mittwuch - Rääge
06.00 Uhr ? der Zyschtig war lang und hat dem Mittwoch die ersten Stunden gestohlen. Aber wann gibts schon wieder so eine Aloha-Fasnacht, an der man bis um zwei Uhr morgens unter dem Sternenhimmel vor der Beiz die Traumbilder eines Zyschtigs reinziehen kann?
Das kommt nur alle fünf Schaltjahre einmal vor.
UND DESHALB HABEN ALLE PROFITIERT. Und einen Teil des Mittwochs an den Zyschtig gegeben ? zeitkontotechnisch.
Jedenfalls hat der typische Zyschtigs-Sound, dieses Gemisch von sattem Gugge-Tamm-Tamm-Tamm und leisen Altfrangg-Tönen, von Mätzli-Wirbeln und Waggis-Sirenen nie mehr aufhören wollen. Um 6 Uhr morgens sind noch immer die letzten Cliquen vor unserm Hotel vorbei marschiert ? und alles musikalisch lupenrein. Die Sommerwärme hat die Fasnächtler sämtliche Bier- und Weissweinfluten sofort wieder herausschwitzen lassen. Somit wurde es trotz viel Durst eine topfnüchterne Fasnacht ? zumindest was die Promille-Grenze betrifft.
09.00 Uhr? gestern ist mir prompt einer im Schlüssel auf den Schwanz getreten. Das ist natürlich sprichwörtlich zu verstehen ? gemeint ist eigentlich: auf den schwarzen Talar meines Römer Priesters. Jedenfalls fuselte der Saum wie ein Putzlumpen nach unten. Und wischte auf dem Heimweg sämtliche Räppli auf.
Heute morgen nun muss Abhilfe geschaffen werden. Und da fällt mir Gille Thiriet ein, der seine Zyschtigs-Waggishosen auch mit einer Sicherheitsnadel geflickt hat. Deshalb suchen wir ebenfalls die Textil AG auf: «Ich brauche Sicherheitsnadeln ? mein Priestergewand hat effe. Der Saum steht auf Halbmast...» Die Verkäuferin schaut sich die Bescherung an. Dann holt sie ein Faadegnusch und ein Naaikörbli: «Ziehen Sie die Sache mal aus...».
Ich setze mich in den Unterhosen aufs Stühlchen, derweil der Priesterrock wieder Form annimmt. «So», sagt die Verkäuferin, «sie wollen doch einen Priester nicht in Sicherheitsnadeln herumgufen lassen...».
Die Priester haben diese Fasnacht ihr Fett zünftig abbekommen ? aber Priesterröcke stehen vermutlich immer noch höher im Kurs als Waggishosen...
10.00 Uhr? im «Drei Könige» steht jeden Morgen eine alte, kleine Frau in der Halle am Fenster. Sie schaut still auf den Rhein. Ihr violettes Haar ist zu 1000 Röllchen gedreht worden ? die dünnen Beinchen stecken in rabenschwarzen Leggings. Und über allem funkelt ein rotes T-Shirt mit «Schweizer Kreuz».
Die Dame heisst Daisy (wie sie mir beim ersten Frühstücks-Kaffee sofort verriet), kommt aus Sydney und ist nach 67 Jahren erstmals wieder in die Schweiz zurückgekommen: «Ich bin als junges Mädchen von Basel weg, dear. Unsere Familie hat am Rheinweg gewohnt ? aber irgendwie wurde mir hier die Luft zu eng. Überdies schmeckte man den Krieg. Also flog ich aus...».
Sie rührt in ihrem Kaffee: «Ganz entfliehen kannst du dieser Stadt aber nie ? ich bin wohl niemals zurückgekehrt. Aber ich habe jeden Tag den Rhein geschmeckt, und jedes Jahr zur Fasnachtszeit das Herzklopfen von tausend Trommeln im Ohr gehabt...» Sie steht auf. Geht wieder zum Fenster: «Bevor ich meine letzte Reise antrete, wollte ich das alles noch einmal sehen...» Draussen zieht eben langsam die Fähre ans Grossbasler Ufer unter den Seidenhof. Sie spuckt einen Ueli aus ? der hängt sich den Kübel an. Und ruesst mit den «Dreiern» davon.
Die alte Frau geht vom Fenster weg: «Das wars dann wohl ? um 13.00 Uhr fliegt meine Maschine ab Frankfurt Mein Gepäck ist schwerer, als vor vier Tagen...» Sie lächelt: «Und mein Herz auch...»
12.00 Uhr? ganz langsam bedeckt sich der Himmel. Erste Grauschleier verkünden Tristezza und Tränen.
Doch Fasnachts-Mittwoch ist immer eine Tonne Tristezza und drei Momente, bei dem es allen ums Heulen ist.
Noch bevor wir zum letzten Mal ins Zugsgoschdyym steigen, schmecken wir den Verlust, schmecken den Abschied ? 16 Stunden sind auf unserm Konto geblieben. 960 Minuten. Doch am Schluss geht alles schneller. Auch der Marsch zum Schlusspunkt.
Wie im Leben auch.
-minu
Das kommt nur alle fünf Schaltjahre einmal vor.
UND DESHALB HABEN ALLE PROFITIERT. Und einen Teil des Mittwochs an den Zyschtig gegeben ? zeitkontotechnisch.
Jedenfalls hat der typische Zyschtigs-Sound, dieses Gemisch von sattem Gugge-Tamm-Tamm-Tamm und leisen Altfrangg-Tönen, von Mätzli-Wirbeln und Waggis-Sirenen nie mehr aufhören wollen. Um 6 Uhr morgens sind noch immer die letzten Cliquen vor unserm Hotel vorbei marschiert ? und alles musikalisch lupenrein. Die Sommerwärme hat die Fasnächtler sämtliche Bier- und Weissweinfluten sofort wieder herausschwitzen lassen. Somit wurde es trotz viel Durst eine topfnüchterne Fasnacht ? zumindest was die Promille-Grenze betrifft.
09.00 Uhr? gestern ist mir prompt einer im Schlüssel auf den Schwanz getreten. Das ist natürlich sprichwörtlich zu verstehen ? gemeint ist eigentlich: auf den schwarzen Talar meines Römer Priesters. Jedenfalls fuselte der Saum wie ein Putzlumpen nach unten. Und wischte auf dem Heimweg sämtliche Räppli auf.
Heute morgen nun muss Abhilfe geschaffen werden. Und da fällt mir Gille Thiriet ein, der seine Zyschtigs-Waggishosen auch mit einer Sicherheitsnadel geflickt hat. Deshalb suchen wir ebenfalls die Textil AG auf: «Ich brauche Sicherheitsnadeln ? mein Priestergewand hat effe. Der Saum steht auf Halbmast...» Die Verkäuferin schaut sich die Bescherung an. Dann holt sie ein Faadegnusch und ein Naaikörbli: «Ziehen Sie die Sache mal aus...».
Ich setze mich in den Unterhosen aufs Stühlchen, derweil der Priesterrock wieder Form annimmt. «So», sagt die Verkäuferin, «sie wollen doch einen Priester nicht in Sicherheitsnadeln herumgufen lassen...».
Die Priester haben diese Fasnacht ihr Fett zünftig abbekommen ? aber Priesterröcke stehen vermutlich immer noch höher im Kurs als Waggishosen...
10.00 Uhr? im «Drei Könige» steht jeden Morgen eine alte, kleine Frau in der Halle am Fenster. Sie schaut still auf den Rhein. Ihr violettes Haar ist zu 1000 Röllchen gedreht worden ? die dünnen Beinchen stecken in rabenschwarzen Leggings. Und über allem funkelt ein rotes T-Shirt mit «Schweizer Kreuz».
Die Dame heisst Daisy (wie sie mir beim ersten Frühstücks-Kaffee sofort verriet), kommt aus Sydney und ist nach 67 Jahren erstmals wieder in die Schweiz zurückgekommen: «Ich bin als junges Mädchen von Basel weg, dear. Unsere Familie hat am Rheinweg gewohnt ? aber irgendwie wurde mir hier die Luft zu eng. Überdies schmeckte man den Krieg. Also flog ich aus...».
Sie rührt in ihrem Kaffee: «Ganz entfliehen kannst du dieser Stadt aber nie ? ich bin wohl niemals zurückgekehrt. Aber ich habe jeden Tag den Rhein geschmeckt, und jedes Jahr zur Fasnachtszeit das Herzklopfen von tausend Trommeln im Ohr gehabt...» Sie steht auf. Geht wieder zum Fenster: «Bevor ich meine letzte Reise antrete, wollte ich das alles noch einmal sehen...» Draussen zieht eben langsam die Fähre ans Grossbasler Ufer unter den Seidenhof. Sie spuckt einen Ueli aus ? der hängt sich den Kübel an. Und ruesst mit den «Dreiern» davon.
Die alte Frau geht vom Fenster weg: «Das wars dann wohl ? um 13.00 Uhr fliegt meine Maschine ab Frankfurt Mein Gepäck ist schwerer, als vor vier Tagen...» Sie lächelt: «Und mein Herz auch...»
12.00 Uhr? ganz langsam bedeckt sich der Himmel. Erste Grauschleier verkünden Tristezza und Tränen.
Doch Fasnachts-Mittwoch ist immer eine Tonne Tristezza und drei Momente, bei dem es allen ums Heulen ist.
Noch bevor wir zum letzten Mal ins Zugsgoschdyym steigen, schmecken wir den Verlust, schmecken den Abschied ? 16 Stunden sind auf unserm Konto geblieben. 960 Minuten. Doch am Schluss geht alles schneller. Auch der Marsch zum Schlusspunkt.
Wie im Leben auch.
-minu
Cyberwriter - 13. Mär, 14:39 - Basler Fasnacht
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