18
Jul
2003

"Deep-Linking" nicht rechtswidrig

Der u.a. für das Urheber- und Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über eine Unterlassungsklage gegen die Betreiber des Internet-Suchdienstes "Paperboy" zu entscheiden.

Der Suchdienst wertet eine Vielzahl von Websites (Internetauftritten), vor allem von Zeitungsartikeln, auf tagesaktuelle Informationen aus. Auf Anfrage erhalten Internetnutzer kostenlos Auflistungen der Veröffentlichungen, die ihren Suchworten entsprechen, in die auch Stichworte, Satzteile und einzelne Sätze aus den Veröffentlichungen aufgenommen sind. Die erste Zeile enthält jeweils die Quelle in Form eines Hyperlinks (elektronischen Verweises), mit dessen Hilfe die Veröffentlichung unmittelbar abgerufen werden kann.

Das Anklicken des Hyperlinks führt nicht auf die Startseite (Homepage) des Internetauftritts des Informationsanbieters, sondern unmittelbar auf die ("tieferliegende") Webseite mit der Veröffentlichung (sog. Deep-Link). Der Nutzer wird so an den Werbeeintragungen auf der Startseite vorbeigeleitet. Die Beklagten bieten an, dem Nutzer täglich alle tagesaktuellen Veröffentlichungen zu seinen Suchworten per E-Mail zu übermitteln.

Die Klägerin verlegt die Presseerzeugnisse "Handelsblatt" und "DM". Einzelne Artikel daraus macht sie auch im Internet auf ihren Websites öffentlich zugänglich. Sie ist der Ansicht, "Paperboy" verletze durch die Einbeziehung ihrer Websites in seine Suche ihre urheberrechtlichen Befugnisse an den Artikeln und ihre Rechte an den Datenbanken, in denen die Artikel für den Internetzugriff gespeichert seien. Das Suchdienstangebot sei zudem wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, abgewiesen. Die Revision gegen das Berufungsurteil hatte keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs verletzt der Suchdienst der Beklagten keine Rechte der Klägerin. Mit den Hyperlinks, die den unmittelbaren Aufruf von Artikeln ermöglichten, nähmen die Beklagten keine Nutzungshandlungen vor, die den Urheberberechtigten oder den Herstellern der von ihrem Suchdienst abgefragten Datenbanken vorbehalten seien. Die Beklagten handelten auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie es Nutzern von "Paperboy" durch Deep-Links ermöglichten, unmittelbar den Volltext von Artikeln aus "Handelsblatt" und "DM" abzurufen und zu vervielfältigen.

Ein Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich mache, ermögliche dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen könne. Es sei seine Entscheidung, ob er das Werk trotz der Möglichkeit, daß nach dem Abruf auch rechtswidrige Nutzungen vorgenommen würden, weiter zum Abruf bereithalte.

Auch ohne Hyperlink könne ein Nutzer unmittelbar auf eine im Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren URL (Uniform Resource Locator), die Bezeichnung ihres Fundorts im World Wide Web, genannt werde. Ein Hyperlink verbinde mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu der die Verknüpfung gesetzt werde, lediglich eine technische Erleichterung für ihren Abruf.

Er ersetze die sonst vorzunehmende Eingabe der URL im Adreßfeld des Webbrowsers und das Betätigen der Eingabetaste. Ob das Setzen eines Hyperlinks in der Form eines Deep-Links urheberrechtlich unzulässig sei, wenn der Linksetzende dazu technische Sperren umgehe, könne offenbleiben, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, daß sie technische Schutzmaßnahmen gegen den unmittelbaren Zugriff auf "tieferliegende" Webseiten ihrer Internetauftritte anwende.

Die Beklagten handelten auch nicht wettbewerbswidrig, wenn es ihr Suchdienst durch Hyperlinks ermögliche, unmittelbar auf Artikel zuzugreifen, die im Rahmen der Internetauftritte von "Handelsblatt" und "DM" öffentlich zugänglich seien. Dadurch würden die Leistungen der Klägerin nicht unlauter ausgebeutet. Der Suchdienst biete der Allgemeinheit einen erheblichen Zusatznutzen, indem er eine Vielzahl von Informationsquellen erschließe. Die Herkunft der nachgewiesenen Artikel werde nicht verschleiert.

Es sei auch nicht unlauter, wenn die Nutzer durch Deep-Links an den Startseiten der Internetauftritte der Klägerin vorbeigeführt würden. Auch wenn der Klägerin dadurch Einnahmen für die Werbung auf den Startseiten entgingen, könne sie nicht verlangen, daß nur der umständliche Weg über die Startseiten gegangen werde und die Möglichkeiten der Hyperlinktechnik ungenutzt blieben.

Wenn die Klägerin das Internet für ihre Angebote nutze, müsse sie auch die Beschränkungen in Kauf nehmen, die sich aus dem Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Internets für die Durchsetzung ihrer Interessen ergäben.

Ohne die Inanspruchnahme von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks (gerade in der Form von Deep-Links) sei die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im World Wide Web praktisch ausgeschlossen. Die Tätigkeit von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks müsse deshalb grundsätzlich jedenfalls dann hingenommen werden, wenn diese lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglicher Informationsangebote ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen erleichterten.

Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 259/00

Karlsruhe, den 18. Juli 2003
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Hier gibt's die Mitteilung der Pressestelle des bundesgerichtshofes

[Quelle: Bundesgerichtshof: http://www.bundesgerichtshof.de/]

Trackback URL:
https://cyberwriter.twoday.net/STORIES/46644/modTrackback

AddThis Social Bookmark Button

logo

CyberWriter

Alles fliesst und nichts bleibt (Heraklit von Ephesos)

button.php

cybibutton

cybibuttondouble

cybibutton-white

cybistag

idealab_promo

CoComment

Add to Technorati Favorites

sbp-button_hellblau2

Impressum

Add to Netvibes

rss2pdf
CyberWriter als pdf


I am a hard bloggin' scientist. Read the Manifesto.

NUL
Recommandé par des Influenceurs.

Keep on Blogging!

welcometothewww



oldeurope

tibetnews

zurinet

winkewinke

www.flickr.com
CyberWriter's photos More of CyberWriter's photos
Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen

Status

Online seit 7742 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:03

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

GUGUCK
Sali Marie, wie gohts denn Dir ?
piccolomini - 21. Mai, 17:59
Danggscheen
fir das wirgglig scheen fasnächtlig Kaleidoskop !
piccolomini - 21. Mai, 17:40
Von hochgelagerten Füssen und Deckengucken
...
Cyberwriter - 1. Mär, 13:50
Aha,
Aha,
boomerang - 13. Feb, 21:59
huhuu
huhuu
irgendeinisch - 13. Feb, 19:11
Guguck ....
Guguck ....
Cyberwriter - 13. Feb, 18:51
"It’s the Journalism, Stupid —...
Via Pjnet.org auf einen äusserst interessanten Artikel...
Cyberwriter - 18. Mär, 21:35
A bad thing ;-)
Cyberwriter - 16. Mär, 16:37
Die New York Times forscht an der...
"Paper is dying, but it’s just a device" sagt Nick...
Cyberwriter - 13. Mär, 13:48
What's that Twitter???
Cyberwriter - 6. Mär, 14:56

LinX - FriendZ

Credits

powered by Antville powered by Helma


Creative Commons License

xml version of this page
xml version of this page (summary)

twoday.net AGB



geoURL-RELOADED

GeoURL

Blogarama - The Blog Directory

Get Firefox! Get Thunderbird!

weblogfaq-button

Schweizer Podcast-Verzeichnis



blogtrends

Schweizer Blog Verzeichnis

Blogwise - blog directory

CoComment

CoComment

Digg!

Download iPodder, the cross-platform podcast receiver


« »



I’m a swiss blog!

walking

list.blogug.ch


Absinthe
Basel
Basler Fasnacht
Basler Fasnacht 06
Basler Fasnacht 07
basler fasnacht 08
BaZ and the City
baz-illus RSS
blogcamp2007
blogcampswitzerland
blogcampSwitzerland01
BloggerCon 03
Blogging
Blogging Basel
BlogTalk
citizen journalism
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren