13
Mrz
2003

Dusse und au Dinne - Mändig - Zyschtig - Mittwuch

Määndig

Morgens natürlich ist es ein Fasnachtsmäntig für «dusse». Das haben alle schon nach dem Morgestraich geschmeckt. Das Traumwetter hat die Cliquen und Zigli auf der Strasse zurück gehalten bis fast zum Mittagessen.

Eine der letzten Grossformationen, die immer dann im Morgestraich-Goschdyym nach Hause marschiert, wenn die andern bereits im «Zugs-Gloon» einstehen, sind d Rumpler. Die Gruppe, welche erst am Mittwoch den Cortège bestreiten wird, besticht dieses Jahr nicht nur mit einem Super-Pfeiferharscht (o. k., o. k. die Ruesser können wir nicht beurteilen aber es klöpfelte auch nett), nein, d Rumpler machen heuer auch mit ihrem Sujet und einer Prachtlampe Furore: «dr Bletterdaig»! Es geht da um die Bank Sarasin, die mit Holland ihr Päckchen geschlossen hat:


«Es bletteret, es bletteret ych find das scho dr Hammer
dr Saresi leggt d Tulpe-n-aa und raucht jetzt Amschterdammer!»



12.10 Uhr ich mache mich in Richtung Steinenberg davon. 2 Rätz-Pfyffer jubeln mir mit einem wunderprächtigen Nunnefirzli entgegen. Sie wollen den Morgestraich einfach nicht loslassen, halten ihn fest am Zipfel dabei ist bald schon der Aapfiff zum Cortège.


Vor dem Casino machen sich d Stainlemer langsam bereit. Ihr Zug ist dramatisch, die Lampe bittergallig und der Panzerwagen bedrohlich da heiratet Sharon Arafat. Mit Zungenkuss e Draumhochzyt einerseits. Auf der andern Seite: s Oobemohl mit erschreckenden Gästen. Aber was sagen d Stainlemer zu ihrem Sujet:

"Liebsch Du d Fasnacht, liebsch Du s Lääbe
und findsch das Sujet nit dernääbe."


17.00 Uhr das erste, was ich nach dem Cortège sehe: eine Mail von einem Pfeifer der Alten Spale. Die Lampe, die wir im Laternenspannerli beschrieben hätten, sei nicht von der alten AGB, sondern von der alten Spale. Die würde sich nämlich mit den Rheinwellen, dem Durchbligg und der Glasfähre befassen.

Stimmt. Ihr Sujet ist die Glas-Nostalgie. Und ihre witzige Lampe zeigt uns den Neptung alias Lällekeenig in den Rheinwellen. Sorry Guys da fehlte einfach der Durchbligg meinerseits. Oder eben: Da war ich am falschen Ufer auf dem lätzen Boot. Tschuldigung.

18.30 Uhr noch immer ist es hell. Die Cliquen aber sind verstummt. Sie hocken vor ihren Tellern und lassen den Cortège Revue passieren. Jeder ist sich einig: ein unglaublicher Stress. Und schön wäre es, einmal frei herumziehen zu können.

Aber lasst euch hier sagen: Wenn Ihr den Cortège nicht mehr habt, vermisst ihr ihn. Fragt den Raphi Blechschmidt. Seit er das Comité-Hütchen schwenken muss, trauert er den Nachmittagen in der Clique nach. Und ganz abgesehen davon würden wir Zuschauer den Cortège vermissen. Denn nirgendwo bekommt man so einen breiten Überblick über die Entwicklung der Fasnacht wie an einem solchen Nachmittag. Jetzt werden alle Farbpaletten ausgebreitet. Jetzt spürt und schmeckt man, wo die Strömungen hinfliessen, wo die Pointen künftig hinzielen und wie der Witz sich ändert.

Fasnacht geht eben immer neue Wege als Spiegel der Zeit muss sie das. Denn Fasnacht kann und darf nicht stehen bleiben. Aber das merkt einer hinter der Larve kaum er spürt es erst, wenn er selber im Zuschauerhorscht steht. Deshalb Fasnacht ohne Cortège wäre wie Mimosen ohne Duft. Tragen wir also Sorge zu diesem Parfum.

22.00 Uhr nun sind die Cliquen voll im An- und Aufmarsch. Die Gugge geben ihren Sound dazu. Das alles vermischt sich zu einem wunderbaren Ganzen zwei verschiedene Kulturen, ein einziger Fasnachtskuchen. Wäre doch schön, wenn das auf der Welt mit den Menschen auch so ginge.

Immer mehr Promis treffen zu den 72 Basler Stunden ein aus Kaiserslautern ist René C. Jäggi mit seinem Vorstand hergefahren. Geniesst die Bängg. Und will noch ein paar Stunden Fasnachtsluft schnuppern.

Ballonfahrer Jacques Picard ist ebenfalls angeflogen: «Man braucht keinen Ballon, um hier abzuheben da schwebt einer ganz von selbst!» Bitte ein pic-artiges Kompliment an einen prächtigen Fasnachts-Mäntig.

Zyschdig

Im Heeli-Garten herrscht ein Betrieb wie in einer lauen Augustnacht alles sitzt draussen an den Tischen. D Fasnacht 2003 findet dusse statt. Zumindest jetzt noch solange es Petrus zulässt. Und wenn ers später schütten lässt. Egal. Uns kratzt das nicht. Nach dem Zyschtig ist eh alles gelaufen.

Die Blase an der Hinterferse blutet nun: ruggediguu, ruggediguu Blut ist im Schuh!

Ich humple wie die Senioren-Omi des Lamms herum und suche mir meine Grüppchen zusammen. Zyschtig ist nämlich der Tag der hunderttausend Einfälle. Ein Potpourri an Buebewitz und Gags.
Schon rattert mir ein ganzes Nest voll Duracel-Häschen entgegen. Aufgeregt zwirbeln sie herum und sinken dann in sich zusammen BATTERIE AUSGEBRANNT. Und dies so früh am Tag. Rasch wird die Ladung gewechselt schon hoppeln sie wieder.
Ja, wenn das so einfach wäre ...

11.30 Uhr es kübelt, kesselt, jubiliert und trillert nun an allen Ecken und Enden. Goldene Harlekine künden die Tambouren der Basler Zepf Ziri an, drei orange rasant wirbelnde Strassenwischer entpuppen sich zu griene Hind und vor dem Gambrinus macht es sich das Pfluderi Asyl urgemütlich.


Mit Böllerschuss und Kanone jagen nun d Popeyes um die Ecke, während eine Spitzen-Zyschtigs-Gruppe der Sans-Gêne-Pfeifer ein traumschönes Nunnefirzli ablässt. PIS-DIC heisst eine VKB-Trommelgruppe, die mit «Piss» die Pfeiferei meinen und Trommeln «dick» finden. Auch d Verderber hummeln trommeltechnisch perfekt an dieses Mal im Imker-Outfit. Und natürlich wie immer auf der Jagd nach Honigbienchen.


14.30 Uhr auf dem Münsterplatz stosse ich auf Silve Messerli und ihren Fasnachts-Bären. Letzterer ist ein Kenner der Materie, Schnitzelbänggler und grossartiger Redakteur für Fasnachts-Querschnitte. Dieses Jahr will ihn DRS 2 gleich drei Mal senden. Reinhören lohnt sich. «Du läufst so bananig krumm?», schüttelt Silve den Kopf. «Ich habe eine Blase, schmerzt scheusslich! «Nimm Blasentee!» grölt der Bär.

Wie gesagt: ein professioneller Witzbold?

15.00 Uhr im Adler herrscht Scheiaweia. D DSP-Ruesser verschmachten in ihren schwarzen Michael-Jackson-Perücken und gehen ein wie eine Jeans in der Kochwäsche.

«Was heisst eigentlich DSP?», wollen wir von ihnen wissen.
«D-rummle S-tatt P-fyffe!» brüllen sie. Und jagen mit Synkoben und Fünferrufen davon.

Auch d Utegässler stehen ein sie fusionieren mit einer Gugge. Und da passt eigentlich die Schunkelstimmung bestens schon heults im Tiefflieger-Absturzton aus den Adler-Lautsprechern: Schuubidubiduu my Frau gseht uss wie duu schubidubi daaa das haa-n-y schomool kaa?» Das Lied ist wunderbar aber leider: Schubidubidei mir sotte jetze hei!

16.00 Uhr mit Heimgehen ist gar nichts! Das Chaos auf der Mittleren Brücke ist perfekt KEIN DURCHBLICK, KEIN DURCHKOMMEN, SORRY, ABER Y GSEH NIT DUURE! Ich stecke schlimmer im Stau als vor dem Belchenbummel am Bündelidaag. Dabei wartet im Hotel mein Vetter Thommy. Er ist therapeutisch geschult und hat einen Arztkoffer für aufgeplatzte Blasen dabei. Schon drei Mal hat er mich übers Handy gesucht: «Wann kommst du, wir haben die Messer schon gewetzt. Man muss die Blase schneiden.»

Ich händele zurück: «Thommy ich stecke im Stau und nehme den Umweg über die Johanniterbrücke».

So komme ich endlich keuchend auf allen Vieren im «Drei Könige» an.
«Hier ist ein Pflästerli, du Weichei» das war der Vetter, der therapeutische. Ich pflastere und die Sache schmerzt wie vorher.
Innocent ruft mich vom Rigi an: «Ich finde die Pointen dieses Jahr aber sehr schwach, mein Lieber und diese Reime! Wenn ich da an Blasius denke?» Blasius? Pflaster drauf und durch ...

Mittwuch

06.00 Uhr Der Zyschtig war lang und hat dem Mittwoch die ersten Stunden gestohlen. Aber wann gibts schon wieder so eine Aloha-Fasnacht, an der man bis um zwei Uhr morgens unter dem Sternenhimmel vor der Beiz die Traumbilder eines Zyschtigs reinziehen kann?

Das kommt nur alle fünf Schaltjahre einmal vor.
UND DESHALB HABEN ALLE PROFITIERT. Und einen Teil des Mittwochs an den Zyschtig gegeben zeitkontotechnisch.

Jedenfalls hat der typische Zyschtigs-Sound, dieses Gemisch von sattem Gugge-Tamm-Tamm-Tamm und leisen Altfrangg-Tönen, von Mätzli-Wirbeln und Waggis-Sirenen nie mehr aufhören wollen.

Um 6 Uhr morgens sind noch immer die letzten Cliquen vor unserm Hotel vorbei marschiert und alles musikalisch lupenrein. Die Sommerwärme hat die Fasnächtler sämtliche Bier- und Weissweinfluten sofort wieder herausschwitzen lassen. Somit wurde es trotz viel Durst eine topfnüchterne Fasnacht zumindest was die Promille-Grenze betrifft.

09.00 Uhr gestern ist mir prompt einer im Schlüssel auf den Schwanz getreten. Das ist natürlich sprichwörtlich zu verstehen gemeint ist eigentlich: auf den schwarzen Talar meines Römer Priesters. Jedenfalls fuselte der Saum wie ein Putzlumpen nach unten. Und wischte auf dem Heimweg sämtliche Räppli auf.

Heute morgen nun muss Abhilfe geschaffen werden. Und da fällt mir Gille Thiriet ein, der seine Zyschtigs-Waggishosen auch mit einer Sicherheitsnadel geflickt hat. Deshalb suchen wir ebenfalls die Textil AG auf: «Ich brauche Sicherheitsnadeln mein Priestergewand hat effe. Der Saum steht auf Halbmast...» Die Verkäuferin schaut sich die Bescherung an. Dann holt sie ein Faadegnusch und ein Naaikörbli: «Ziehen Sie die Sache mal aus...».

Ich setze mich in den Unterhosen aufs Stühlchen, derweil der Priesterrock wieder Form annimmt. «So», sagt die Verkäuferin, «sie wollen doch einen Priester nicht in Sicherheitsnadeln herumgufen lassen...».

Die Priester haben diese Fasnacht ihr Fett zünftig abbekommen aber Priesterröcke stehen vermutlich immer noch höher im Kurs als Waggishosen...

10.00 Uhr? im «Drei Könige» steht jeden Morgen eine alte, kleine Frau in der Halle am Fenster. Sie schaut still auf den Rhein. Ihr violettes Haar ist zu 1000 Röllchen gedreht worden die dünnen Beinchen stecken in rabenschwarzen Leggings. Und über allem funkelt ein rotes T-Shirt mit «Schweizer Kreuz».

Die Dame heisst Daisy (wie sie mir beim ersten Frühstücks-Kaffee sofort verriet), kommt aus Sydney und ist nach 67 Jahren erstmals wieder in die Schweiz zurückgekommen: «Ich bin als junges Mädchen von Basel weg, dear. Unsere Familie hat am Rheinweg gewohnt aber irgendwie wurde mir hier die Luft zu eng. Überdies schmeckte man den Krieg. Also flog ich aus...».

Sie rührt in ihrem Kaffee: «Ganz entfliehen kannst du dieser Stadt aber nie ich bin wohl niemals zurückgekehrt. Aber ich habe jeden Tag den Rhein geschmeckt, und jedes Jahr zur Fasnachtszeit das Herzklopfen von tausend Trommeln im Ohr gehabt...» Sie steht auf. Geht wieder zum Fenster: «Bevor ich meine letzte Reise antrete, wollte ich das alles noch einmal sehen...»

Draussen zieht eben langsam die Fähre ans Grossbasler Ufer unter den Seidenhof. Sie spuckt einen Ueli aus der hängt sich den Kübel an. Und ruesst mit den «Dreiern» davon.

Die alte Frau geht vom Fenster weg: «Das wars dann wohl ? um 13.00 Uhr fliegt meine Maschine ab Frankfurt Mein Gepäck ist schwerer, als vor vier Tagen...» Sie lächelt: «Und mein Herz auch...»

12.00 Uhr ganz langsam bedeckt sich der Himmel. Erste Grauschleier verkünden Tristezza und Tränen.

Doch Fasnachts-Mittwoch ist immer eine Tonne Tristezza und drei Momente, bei dem es allen ums Heulen ist.

Noch bevor wir zum letzten Mal ins Zugsgoschdyym steigen, schmecken wir den Verlust, schmecken den Abschied 16 Stunden sind auf unserm Konto geblieben. 960 Minuten. Doch am Schluss geht alles schneller. Auch der Marsch zum Schlusspunkt.
Wie im Leben auch.

-minu

(Quelle: Basler Zeitung vom 11.-13.3.2003)

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